Von Katrin Möbius, DFU-Koordinator und Fachschaftsleitung Geschichte
Dass der Ausbruch des Ersten Weltkriegs durch eine allgemeine Kriegsbegeisterung und eine massive Kriegspropaganda mitbegründet war, ist im Allgemeinen bekannt. Viele haben im Geschichtsunterricht die Bilder der jubelnden Europäer gesehen, die bereitwillig für ihre jeweilige Nation in den Krieg zogen. Ebenso kennen wir die Gräuel und das Leid auf allen Seiten, die dieser verheerende Krieg ausgelöst hat.
Was nur einige Menschen wissen, ist, dass es eine sehr große und breit gefächerte Friedensbewegung am Vorabend des Ersten Weltkriegs gab. Ungefähr ⅓ der europäischen Bevölkerung war gegen diesen Krieg. Entweder wählten sie pazifistische Parteien oder gehörten sogar Organisationen und Parteien an, die sich aktiv gegen den drohenden Krieg engagierten. Zu diesen Pazifisten gehörten zum Beispiel Kirchengruppen, Frauenvereine, Arbeitergewerkschaften und viele Schriftsteller. Sie demonstrierten, malten, schrieben und hielten Reden gegen die heraufziehende Katastrophe.
Die Goethe Schule feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen und beruft sich dabei auf ihre internationalen Wurzeln, ihre diverse Schülerschaft und ihre Offenheit gegenüber fremden Kulturen. Dies sind alles sehr gute Gründe, um in diesem Jahr im Geschichtsunterricht der 11. Klasse (ES5) ein Projekt zur Friedensbewegung und Völkerverständigung vor dem Ersten Weltkrieg durchzuführen.
Die ES5 B des Abiturzweigs hat in Geschichte im Juni dieses Jahres ihren Fokus auf die deutsche und die österreichische Friedensbewegung gerichtet. Dabei standen der bekannte Abenteuerautor Karl May aus Deutschland und die Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner aus Österreich im Mittelpunkt. Aufgabe war es, die unterschiedlichen Mentalitäten und geistigen Strömungen am Vorabend des Ersten Weltkriegs gegenüberzustellen und umzusetzen. Das Projekt wurde vom Karl May Museum in Radebeul und Katrin Möbius (DFU-Koordinatorin) geplant und realisiert. Der Karl May Experte René Giessbach und Prof. Dr. Holger Kuße übersandten online Texte und Artikel für unseren Geschichtsunterricht, die wir dann als Quellen auswerteten und umsetzten. Ein sehr interessanter Einstieg in das Thema war ein Vortrag zum Thema: „Karl May – Sprachliche Stereotypisierung und Pazifismus“ von Prof. Dr. Holger Kuße, Professor für Slavische Sprachgeschichte und Sprachwissenschaft an der Technischen Universität Dresden und Vorstandsmitglied der Karl-May-Stiftung.
Eine Schülergruppe wertete gleich zwei sehr anspruchsvolle Quellenarten aus: Briefquellen und literarische Textquellen. Sie lasen Auszüge aus einem Briefwechsel zwischen dem Autor Karl May und seinem Freund, dem Künstler Sascha Schneider. Beide waren grundsätzlich anderer Meinung über den Krieg und Karl May war so entsetzt über die Kriegsbegeisterung seines Freundes, dass er im Buch “Ardistan und Dschinnistan” die literarischen Figuren über den Sinn des Krieges streiten ließ. Auch diesen Dialog untersuchten die Schüler der ES5B und stellten den Konflikt in einer Informationsgrafik dar.
Ausgesprochen kreative und sehr innovative Wege ging eine Schülergruppe, die Auszüge aus Bertha von Suttners Buch “Die Waffen nieder!” las. Sie werteten nicht nur den Textauszug historisch aus, sondern setzten seine Hauptaussagen als eigenen Kunstfilm um. Die Schüler zogen sich rote Kleidung an und nutzten grelle Lichter, um die militanten und nationalistischen Argumente ihrer Zeit darzustellen. Sie bedrängten und blendeten die Hauptfigur, eine Ehefrau, die sich – jedoch ohne Erfolg – gegen diese menschenverachtenden Ideen wehrte.
Jedem der Projektteilnehmer war am Ende klar, dass die Menschen am Vorabend des ersten Weltkriegs weder ohne Vorwarnung, noch völlig blind in die “Urkatastrophe des Zwanzigsten Jahrhunderts” gelaufen sind. Vor allem nach der “Hunnenrede” des Kaisers kamen in Deutschland und Österreich angesehene Denker zusammen, um auf vielfältige Weise gegen den brutale und unmenschlichen Inhalt zu protestieren.